Auflösungserscheinungen
Diese Begriffe haben sich seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre etabliert. Vorher gab es scheinbar gar keine Lösungen in der IT. Heute kann man sie sogar auf Wikipedia nachschlagen – entsprechend fleißig werden sie genutzt. Aber was ist damit eigentlich gemeint? In den meisten Fällen lassen sich Synonyme für diese ominösen „Lösungen“ finden, die auf den Punkt bringen, worum es eigentlich geht. Scheinbar wertet es aber jede Software auf, wenn sie nicht nur bloße Anwendung bleibt, sondern zur Lösung erkoren wird. Klingt ja auch total agil im Zeitalter der zunehmenden Digitalisierung. Weg von komplizierten Begriffen wie Programmen oder Applikationen. Das klingt nach schrankgroßen Computeranlagen mit riesigen Magnetbandspeichern aus einer anderen Zeit. Nein, die moderne IT-Kommunikation denkt ausschließlich lösungsorientiert.
Dabei entstehen Perlen wie:
„Nicht jede Software-Lösung ist auch tatsächlich eine Lösung.“
Genau meine Meinung.
Oder auch:
„Wir bieten maßgeschneiderte Software-Lösungen für die Anwendungen unserer Kunden.“
Sie bieten also Software für die Software Ihrer Kunden?
In beiden Fällen ist mir schon klar, was gemeint ist. Aber es sind nun einmal Phrasen, die alles umfassen, aber nichts wirklich greifen können. Ich gestehe: Auch ich habe lange genug brav wiederholt, was ich aus dem IT-Marketing gehört habe. Es klingt ja auch so angenehm, Probleme haben wir schließlich genug. Lösungen sind gefragt! Und zwar vor allem intelligent, nachhaltig, zukunftsweisend, einfach, maßgeschneidert … die Liste an positiven Zuschreibungen ist lang. Mir kommt es so vor, als ließen sich alle Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung in dieser Worthülse auflösen. Dabei denke ich dann gerne an meine ehemalige Chemielehrerin, die scherzhaft zu sagen pflegte: „Nur Chemiker haben für alles eine Lösung.“