Denn mal ehrlich: Nichts überblättert sich leichter als ein Vorwort. Falls Sie das zu harsch finden, rufen Sie sich doch spontan und ohne nachzuschlagen zwei Editorials aus Magazinen ins Gedächtnis, die Sie zuletzt gelesen haben.
Und?
Eben.
Wir lesen ein Nachrichtenmagazin, weil uns der Themenschwerpunkt interessiert. Das Kundenmagazin begeistert, weil es spannende Einblicke und Storys aus dem Unternehmen präsentiert. Es ist stets mindestens ein Beitrag, der den Leser dazu motiviert, das Heft aufzuschlagen. Das Grußwort des Herausgebers ist es jedenfalls nicht.
Den Spiegel vorhalten
Auch wenn ich mich jetzt zum Ketzer mache: Warum halten wir also an dieser altmodischen und absenderorientierten Tradition fest? „Haben wir immer schon so gemacht?“ Weil dem Herausgeber, Chefredakteur oder Geschäftsführer eben die Ehre gebührt, an exponierter Stelle die Leserschaft zu begrüßen? Eine Frage der Höflichkeit? Ich finde es merkwürdig, wie sorgsam wir bei manchem Redaktionsmeeting die befürchtete oder erhoffte Wirkung von Beiträgen diskutieren. Wie verpönt Absenderorientierung ist. Bei einem Heiligtum gilt sie dagegen als unantastbar: dem Editorial, in Ewigkeit, Amen. Dabei ist es übrigens oft der letzte Text, der im Redaktionsprozess entsteht. Und meist in Form von Ghostwriting.
Jedenfalls bekommt die Redewendung „den Spiegel vorhalten“ ab jetzt für mich eine ganz neue Bedeutung.